Alle gegen einen.
So sieht es zumindest der deutsche Internetunternehmer. In ersten Interviews nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zielt der wegen Urheberrechtsverletzung Angeklagte auf Mitleid und beschuldigt die Regierungsinstitutionen.
Unschuldig sei er und schlecht behandelt worden. Er inszeniert sich als Opferlamm und greift die Regierung an – Kim Schmitz ist zurück. Einer Woche nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gibt er neuseeländischen Medien erste Interviews und zeichnet das Bild eines Gejagten.
„Die erste Nacht hatte ich kein Laken, keine Seife, keine Zahnpasta und kein Toilettenpapier. Sie gaben uns nicht mal die nötigsten Dinge. Alle zwei Stunden weckten sie mich auf. Ich litt an Schlafentzug. Ich habe eine Beschwerde geschrieben. Ich hab gesagt: ‚Das ist Folter, das ist Schlafentzug’“, sagte er am Donnerstag dem „New Zealand Herald“.
Außerdem berichtet er von einem Gefängnisfahrzeug, das ihm zufolge keine Stoßdämpfer hatte und beim Fahren so heftig ruckelte, dass er starke Rückenschmerzen bekam: „Sie gaben mir Schmerzmedikamente und dann wurde ich im Rollstuhl in meine Zelle gebracht. Ich konnte mich drei Tage nicht bewegen.“
Der zurzeit in Neuseeland ansässige Schmitz ist Besitzer des Internetportals Megaupload. Schmitz hat bereits eine lange Karriere als umstrittener Unternehmer mit aufwendigem Lebensstil hinter sich. Er ließ sich gerne mit hübschen Frauen, schnellen Autos, Hubschraubern und anderen Insignien von Geld und Macht ablichten und zeigte sich auch ansonsten stets selbstbewusst. Seine Liste von Künstlernamen umfasst Kimble, Kimvestor und Kim Dotcom. Einen deutlichen Dämpfer musste er hinnehmen, als er 2002 wegen Insiderhandels mit Aktien von Letsbuyit.com vom Amtsgericht München zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt wurde. Zuvor war er nach Thailand geflüchtet.
Die US-Behörden werfen ihm und seinen Mitarbeitern vor, Copyright-Besitzer in großem Stil um ihre Einkünfte gebracht zu haben. Megaupload sei einer der größten Umschlagplätze für illegale Kopien von Musik und Filmen gewesen. Den Rechteinhabern sei eine halbe Mrd. Dollar Schaden entstanden.
Das bestreitet der selbsternannte „Erfinder“ natürlich. Im 23-minütigen TV-Interview mit „TV3“ sagte er: „Ich bin kein Krimineller, diese Internetseite wurde nicht als Datenklauparadies aufgesetzt.“ Und rückt anschließend die vom FBI gegen ihn geäußerten Vorwürfe in die Nähe von George W. Bushs Argument für den militärischen Einsatz im Irak: „Es ist irgendwie ähnlich mit den Massenvernichtungswaffen im Irak, wissen Sie? Wenn man jemandem nachstellen will und man ein politisches Ziel hat, wird man alles sagen, was gesagt werden muss. Das sind alles Erfindungen und Lügen.“
Schmitz begründet seine Verschwörungstheorie damit, dass es Hundert andere Firmen gebe, die dasselbe anbieten wie Megaupload, und trotzdem nicht angeklagt würden. Mit Verweis auf ein Gerichtsverfahren gegen Youtube sagt er: „Die gewinnen ihr Verfahren und ich sitze im Gefängnis, mein Haus wird durchsucht, mein Vermögen eingefroren – ohne Verfahren, ohne Anhörung. Es ist komplett verückt, das ist es!“
Schuld sind immer die anderen
Schuld an den ständigen Urheberrechtsverletzungen sei sowieso Hollywood: Wenn die amerikanische Regierung ihr „monopolistisches Geschäftsmodell“ aufgeben würde, US-Filme zuerst in den heimischen Kinos zu zeigen, bräuchten europäische Jugendliche nichts illegal herunterladen, so Schmitz.
Im Hinblick auf seinen Prozess sagte er, dass er gewinnen wird. Die Anklageschrift des FBI beschuldigt er der Einseitigkeit: „Es ist eine Presserklärung. Eine 72-seitige Klageschrift, die so bösartig ist und konstruiert wurde, um den Richter und die Jury in den USA dazu zu bringen, zuzustimmen, hat es noch nie gegeben.“
Dabei sollte das Rechtssystem ihn doch beschützen, klagt er: „Angeblich, und das ist was alle glaubten, beschützt uns das Gesetz. Wir können doch nicht für die Taten Dritter verantwortlich sein, wissen Sie? So lange wie wir einem Regelwerk folgen und alle Dinge runter nehmen, von denen uns berichtet wird – das haben wir all die Jahre gemacht – sind wir geschützt, zumindest nach dem Gesetz.“
Zu seiner Verteidigung wirft er ein, dass seine Firma allen großen Filmunternehmen einen Zugang zu den Servern verschafft habe, mit dem sie direkt und selbstständig Links löschen konnten, die Urheberrechtsverletzungen betrafen: „Wir haben das freiwillig gemacht, und sie haben über 15 Millionen Links gelöscht.“
In einem letzten Versuch, den Interviewer zu überzeugen, holt er zur rheotrischen Frage aus: „Überrascht es Sie nicht, dass, wenn ich der Datenklaukönig bin und ich all diesen Schaden anrichte, dass niemand von denen je versucht hat, uns zu verklagen, uns zu verklagen auf Schadenersatz?“
Es wird zu beobachten sein, ob ihm die offensive Strategie nutzen wird. Zum Schluss der Interviews bekennt er selbstbewusst wie eh und je: „Ich bin ein Kämpfer und ich werde das bekämpfen. Ich bin zuversichtlich, dass ich das gewinnen werde. …Das ist alles, was ich tun kann.“
via Megaupload-Gründer: Ich, Kim Schmitz, armer Kerl | FTD.de.